Das Process Mining ist eine Technologie, durch die verschiedenste Abläufe analysiert und optimiert werden können. Alle digitalisierten Abläufe liefern Daten, die eine Process-Mining-Software aus den IT-Systemen zieht und zusammenführt.
Mit seinen Funktionen unterstützt das Process Mining bei der Analyse der Daten und der Optimierung von Prozessen, weil Ineffizienzen besser erkannt werden und Maßnahmen zur Steigerung der Produktivität aufgezeigt werden.
In welchem Umfang ein Process-Mining-Tool unterstützt und wie ganzheitlich es die Daten analysiert, hängt allerdings von seiner Technologie ab. Ein großer Unterschied besteht zwischen dem Object-Centric Process Mining (OCPM) und dem klassischen Process Mining.
Klassisches Process Mining: Begrenzung auf End-to-End-Prozesse
Eine wesentliche Voraussetzung für das Process Mining ist die eindeutige Identifizierung und Abgrenzung von Prozessen. Dafür werden jeder Aktivität in einem Prozess ein Identifikationskriterium und ein Zeitstempel zugeteilt. Außerdem wird die Aktivität klar benannt. Auf Basis dieser Angaben zu den einzelnen Aktivitäten eines Prozesses werden systematische Tabellen – die sogenannten Event Logs – erstellt.
Die klare Identifizierung und Abgrenzung von Prozessen hat zwar den Vorteil, dass keine falschen Daten erhoben werden. Dadurch steigt die Qualität der Datenanalyse, und die analytischen Erkenntnisse sind definitiv prozessbezogen. Allerdings betrachtet man im klassischen Process Mining die Prozesse isoliert, was eine ganzheitliche Analyse erschwert. Auf diesem Wege bleiben beispielsweise die Zusammenhänge und Schnittstellen zwischen den Prozessen unberücksichtigt.
Aufgrund der Beschränkung auf End-to-End-Prozesse wird ein unvollständiges oder gar unrealistisches Bild der Betriebsabläufe gezeichnet. Mittels Process Mining lassen sich bereits beträchtliche Optimierungen in Unternehmen erreichen. Jedoch erweitert das objektorientierte Process Mining (Object-Centric Process Mining) die Spielräume des klassischen Process Minings deutlich und gilt daher grundsätzlich als die bessere Methode.
Object-Centric Process Mining (OCPM): Nicht mehr prozessbezogen, sondern objektbezogen
Beim klassischen Process Mining werden die Daten zu einzelnen Events (also zu Geschehnissen oder Aktivitäten) in Event Logs zusammengetragen. Die aus den IT-Systemen des Unternehmens oder einer Cloud generierten Daten werden in mehreren Event Logs zusammengefasst. Es entstehen dabei zahlreiche Tabellen, in denen die Prozesse einzeln abgebildet sind.
Dies sind die Besonderheiten des Object-Centric Process Minings:
- Das Event Log ist nicht prozessbezogen (z. B. Rechnungsstellung), sondern objektbezogen (z. B. Bestellung von Produkt XY inklusive aller zugehörigen Prozesse).
- Die Objektzentrierung ermöglicht es, mehrere Prozesse im Kontext eines Objekts zu betrachten. So können zum Beispiel Bestellprozess, Versand und Rechnungsstellung zu einem Produkt gleichzeitig ausgewertet werden.
- Prozesse weisen zum Teil Wechselwirkungen auf. Im OCPM wird dies berücksichtigt, wodurch ein ganzheitliches Bild der Abläufe in Unternehmen gezeichnet und eine umfassendere Prozessoptimierung ermöglicht wird.
Als Folge der ganzheitlichen Analyse der Unternehmensprozesse im OCPM können prozessuale Abhängigkeiten leichter erkannt werden. Die Exktraktion und Speicherung von Daten verläuft durch die Objektzentrierung effektiver. So können detailliertere Analysen vorgenommen und Verbesserungen der Geschäftsabläufe besser umgesetzt werden.
Vertiefender Überblick über die Unterschiede im OCPM und im klassischen Process Mining
Aus den bisherigen Informationen über das OCPM und das klassische Process Mining sind die wesentlichen Unterschiede beider Process-Mining-Technologien deutlich geworden. Im Folgenden werden die Unterschiede nochmals vertieft. Würde man alle Vorteile des OCPM in einem Satz zusammenfassen, dann könnte man sagen: Das Object Centric Process Mining bildet einen digitalen Zwilling des gesamten Unternehmens ab.
Object-Centric Process Mining spiegelt die Realität in großem Umfang wider
Eine gute Process-Mining-Software sollte dazu imstande sein, Objekte bzw. Aktivitäten im Unternehmen unabhängig von der Datenquelle zu betrachten. Im Object-Centric Process Mining ist genau dies der Fall. Denn Daten werden aus den verschiedensten Programmen bezogen und mit dem zu analysierenden Objekt in Verbindung gebracht. Dabei lassen sich alle Geschäftsprozesse, die im Zusammenhang mit dem Objekt und gegebenenfalls auch anderen Objekten stehen, vollumfassend betrachten. Dies schließt folgende Aspekte ein:
- Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Objekten, Prozessen und Abteilungen erkennen
- Schnittstellen zwischen den einzelnen Geschäftsprozessen und Abteilungen analysieren
- Daten aus mehreren Quellen an einer Stelle (nämlich in der Process-Mining-Software) vereinen und zusammenhängend betrachten
Man spricht mit Blick auf die Eigenschaften des OCPM auch von einer dreidimensionalen Prozessmodellierung. Im Gegensatz zum klassischen Process Mining werden in der Software nicht mehr nur die isolierten Geschäftsprozesse End-to-End abgebildet, sondern es wird das komplexe Geflecht aus Prozessen mit allen zugehörigen Einflüssen dargestellt.
Würde man die Prozesse visualisieren, was man beispielsweise im Process Mapping tut, so könnte man sagen: Das klassische Process Mining ist ein Zeitstrahl, das Object-Centric Process Mapping ein dreidimensionales Geflecht. Dieses visuelle Bild macht den größten Unterschied zwischen den beiden Process-Mining-Methoden deutlich.
Leichtere Konfiguration von Daten als weiterer Vorteil des objektzentrierten Ansatzes
Als digitaler Zwilling des Unternehmens und aller Geschäftsprozesse trägt das Object-Centric Process Mining in wesentlich größerem Umfang zur Analyse und Optimierung von Geschäftsprozessen bei. Zudem bietet es weitere Vorteile. Ein sehr wichtiger Vorteil ist, dass Datenkonfigurationen nur einmalig durchgeführt werden müssen. Beim klassischen Process Mining besteht das weitreichende Problem, dass Anwender aufgrund des Event-basierten Ansatzes diverse Tabellen mit einer Vielzahl an Daten erhalten. Die Krux dabei ist, dass die Daten isoliert in Bezug auf einzelne Prozesse sind. Möchte man nun einen bestimmten Prozess aus einer anderen Perspektive betrachten, dann muss man die Event-Daten neu sortieren und aufbereiten. Dies geht mit einem erheblichen Aufwand einher.
Anders verhält es sich im Rahmen des OCPM, bei dem alle Objekte und Prozessabläufe ausgewählt werden, die man einsehen möchte. Nach der einmaligen Datenkonfiguration sind alle relevanten Informationen in verschiedenen Weisen und mit allen Zusammenhängen einsehbar. Es ist nicht erforderlich, für verschiedene analytische Fragestellungen oder Blickwinkel immer wieder neue Datenkonfigurationen vorzunehmen.
Beispiel für den Mehrwert von OCPM
Im Interview mit BigData-Insider beschreibt Wil van der Aalst, Urvater des Process Minings, den Mehrwert von Process-Mining-Tools mit objektzentriertem Ansatz. Als Beispiel führt van der Aalst den folgenden Bestellvorgang an:
- Ein Kunde bestellt vier Geschenke. Eines davon ist vorrätig, die anderen drei müssen noch hergestellt werden.
- Das Geschenk, das versandfertig ist, wird sofort an den Kunden geschickt.
- Zudem wird ein Auftrag zur Produktion der fehlenden drei Geschenke erstellt.
- Der Prozess der Bestellung beinhaltet mehrere Prozessschritte und Objekte. Dazu gehören der Kundenauftrag, die Kundenauftragspositionen, die Produktionsaufträge, der Versand eines vorrätigen Geschenks und nach der Produktion der drei weiteren Geschenke sowie schließlich die Rechnungsstellung.
- Darüber hinaus sind in den gesamten Prozessablauf mehrere Abteilungen des Unternehmens involviert.
Nun benennt van der Aalst das Problem, dass ein klassisches Process-Mining-Tool ohne den objektzentrierten Ansatz nicht sämtliche Objekte und Prozesse sowie ihre Zusammenhänge erfassen kann. Stattdessen muss bei der klassischen Process-Mining-Technologie jeder Prozess und jedes Objekt separat erfasst werden. Als Lösung für dieses Problem führt van der Aalst das Object-Centric Process Mining an.
In einer Process-Mining-Software mit Objektzentrierung würden alle Prozesse und Objekte im Zusammenhang mit der Bestellung erkannt. Dies ermöglicht die ganzheitliche Prozessanalyse und Prozessoptimierung. Verantwortliche im Unternehmen würden sich nicht wundern, wieso es zu einer verzögerten Rechnungsstellung oder einem verzögerten Versand von Produkten an den Kunden kommt, sondern wüssten Bescheid, dass dies daran lag, dass drei der vier Geschenke noch nicht hergestellt waren.
FAQ: Fragen und Antworten zum Unterschied zwischen OCPM und klassischem Process Mining
Was ist der Unterschied zwischen OCPM und klassischem Process Mining?
Das OCPM ermöglicht die prozessübergreifende Modellierung von Geschäftsprozessen. So wird beispielsweise auch das Potenzial zur Optimierung an den Schnittstellen mehrerer Prozesse aufgedeckt. Das klassische Process Mining hingegen dient nur der Analyse und Optimierung einzelner Prozesse mit einem klar definierten Anfang sowie Ende.
Kann ich OCPM nutzen, wenn ich schon Process Mining im Einsatz habe
Ja. Gern unterstützen wir dabei, das herkömmliche Process Mining auf ein System mit OCPM zu erweitern. Durch den Einsatz eines entsprechenden Tools wird der Umstieg von herkömmlichem Process Mining auf das fortschrittlichere und umfassendere OCPM möglich.
Was ist der Unterschied zwischen Data Mining und Process Mining?
Data Mining dient der Analyse großer Datenmengen. Dies ist auch beim Process Mining der Fall, jedoch ist es dynamisch. Im Process Mining werden Daten nicht nur statisch analysiert. Es wird außerdem untersucht, wie diese Daten zustande gekommen sind. Während Data Mining nur die aktuell vorliegenden Daten auswertet, widmet sich das Process Mining der Analyse von Prozessen.
Was sind Process Mining und Task Mining?
Task Mining dient der Auswertung von Daten und der Analyse einzelner Interaktionen im Rahmen von Prozessen. Daher ergibt sich das „Task“ (deutsch: „Aufgabe“) im Namen. Process Mining betrachtet und analysiert Prozesse, die aus mehreren Schritten bzw. Aufgaben bestehen.
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